Ein Thema, das uns seit wir in Südafrika sind sehr bewegt, sind die auch 25 Jahre nach Ende der Apartheid immer noch spürbaren Auswirkungen dieser institutionalisierten Rassentrennung. Bereits auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt fährt man an den Townships Gugulethu, Bonteheuwel und Langa vorbei. Spätestens in Hout Bay wurde uns die soziale Ungleichheit deutlich vor Augen geführt: Linker Hand der Hauptstraße das Township Imizamo Yethu, rechter Hand riesige Anwesen der selbst für uns reichen (weißen) Bevölkerung.
In Kapstadt, der zweit größten Stadt Südafrikas leben 60% der Bevölkerung in den Cape Flats, einer sandigen Ebene, die erst ab den 1950er Jahren im Rahmen der Rassentrennung, mit Zwangsumsiedlungen aus dem Stadtzentrum besiedelt wurde. Die dort angelegten Townships sind seitdem massiv gewachsen und heute leben weit über 2 Mio Einwohner in diesen größtenteils auch informellen Siedlungen.
Die Einteilung während der Apartheid in „Blacks“, „Coloured“, „Asiatics“ oder „Whites“ lässt sich leider heute immer noch im Stadtbild wieder erkennen, da eine Vermischung der Ethnien in den entsprechenden Vierteln kaum stattgefunden hat. Im Gegensatz zum Rest von Südafrika gehört die Mehrheit der Bevölkerung in der Western Cape Region nicht zu den „Blacks“, sondern zu den „Coloured“ was auf die vielen Sklaven während der Kolonialzeit und deren Vermischung mit anderen Ethnien zurück zu führen ist.
Politisch ist die stärkste Kraft in dieser Region auch nicht der regierende African National Congress (ANC) sondern die Democratic Alliance (DA). Aufgrund der hohen Korruption der politischen Eliten und der anhaltenden massiven Ungleichverteilung schwindet zunehmend der überragende Rückhalt des ANC. Südafrika belegt bei der Einkommensverteilung nach dem Gini-Koeffizienten den letzten Platz von 178 Ländern und ist damit das Land mit der größten Ungleichheit.
In Südafrika hat man die Möglichkeit sich diesen sozialen Themen auch über eine Township-Tour zu nähern und damit auseinander zu setzen. Ein oftmals lokaler Guide führt einen dabei durch sein Township und informiert über die örtlichen Lebensbedingungen. Je nach Tour kann man auch ein wenig in das Leben dort „eintauchen“ und beispielsweise eine Kneipe, eine Schule/Kindergarten oder gar Leute zu Hause besuchen.
Bereits in Deutschland haben wir uns damit beschäftigt, ob wir uns ein Township mit den Kindern anschauen wollen oder nicht. Es gibt Menschen, die der Auffassung sind, dass eine Township-Tour verwerflich sei, da die Armut zur Schau gestellt würde und sie damit einer Zooführung gleiche. Wir sind jedoch der Meinung, dass man die Augen nicht verschließen sollte vor den Lebensverhältnissen in den Townships und dem sozialen Ungleichgewicht im Land. Es lohnt sich ungemein, sich mit den Themen Apartheid, Townships und Armut in Südafrika auseinanderzusetzen und sich zu sensibilisieren für die Probleme im Land. Denn Südafrika besteht nicht nur aus einer schicken Waterfront, exquisiten privaten Gamelodges und weißen Menschen, die in riesigen Anwesen leben. Der überwiegende Teil der Menschen lebt auch heute noch in ärmlichen Verhältnissen und hat eine dunkle Hautfarbe. Man könnte nun natürlich sagen, dass man sich auch ohne eine solche Tour damit beschäftigen kann. Ich (Barbara) habe jedoch in Kenia beim Besuch des Slums Dandora die Erfahrung gemacht, dass es einen Unterschied macht, ob man einfach nur an den vielen Wellblechhütten vorbei fährt und sich Bilder im Internet anschaut oder ob man über die verdreckten Wege geht und die teilweise unvorstellbaren Lebensbedingungen mit allen Sinnen erfährt und die Möglichkeit hat mit den Menschen dort direkt ins Gespräch zu kommen. Der Lebensmut und die Freundlichkeit der meisten Menschen dort ist unglaublich beeindruckend und verdeutlicht einem in welch privilegierten Bedingungen wir leben.
Da wir bei unserem Aufenthalt auf der Kaphalbinsel vier Wochen in Hout Bay wohnen, ist es uns wichtig nicht das größte Township Khayelitsha mit circa 500.000 bis eine Million Einwohnern sondern das vergleichsweise kleine Township Imizamo Yethu, an dem wir fast täglich vorbei fahren zu besuchen. Imizamo Yethu liegt im Tal von Hout Bay und beherbergt ca. 50.000 Menschen auf lediglich 18 Hektar Land. Das Gebiet wurde staatlich geplant um die Situation vieler vorher weit verstreut wohnender Menschen zu verbessern. Schnell bildeten sich aber informelle Hütten rund um den geplanten Bereich und auch das Kerngebiet wurde aufgrund der viel höheren Einwohnerzahlen informell bebaut. Wir wollen uns das aus der Nähe mit einem lokalen Guide, der selber im Township lebt, angucken.
Übers Internet finden wir Afrika Moni, dem jemand eine kleine Homepage mit seinen Kontaktdaten gebastelt hat und der solche Touren im Township anbietet. Zur Kontaktaufnahme empfehlen wir das Telefon, da er auf unsere E-Mail nicht reagiert hat. Er führt uns in die „besseren“ Wohngegenden Imizamo Yethus. Wir unternehmen nur einen sehr kurzen Abstecher zwischen die Wellblechhütten und sehen hauptsächlich die aus Stein gebauten Häuser, die mit Strom und Satellitenschüssel ausgestattet sind. Viele Bewohner in diesen Straßen besitzen sogar ein eigenes Auto. Uns wird klar, dass zwar auch diese Menschen nicht viel Geld haben und teilweise angewiesen sind auf Hilfe, dafür aber vergleichsweise „wohlhabend“ sind zu den vielen Menschen, die beispielsweise im informellen Teil des Townships ohne Strom leben.
Wir besuchen den Kindergarten „Little Lambs“, der von der Deutschen Marlis Schaper unterstützt wird und aufgrund dessen für afrikanische Verhältnisse recht gut ausgestattet ist. Es gibt sogar ein großes Außengelände mit Klettergerüst und Wiese, was bei uns ein gutes Gefühl auslöst.
Während der Tour treffen wir zufällig Angelika und Gabriele auf der Straße, zwei deutsche Rentnerinnen, die derzeit in Hout Bay sind, um sich vor Ort um ihr Hilfsprojekt „Noluthando“ zu kümmern. Hierbei handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, sich um die Allerkleinsten in den Kindergärten zu kümmern. Dazu gehört neben der Ermöglichung einer gesunden Ernährung, einer besseren Ausstattung und der Vermittlung von Patenschaften vor allem die Schulung von Personal in der Arbeit mit den Kindern. Wir sind neugierig geworden und verabreden uns mit ihnen um das Projekt und einen von ihnen unterstützten Kindergarten näher kennen zu lernen.
Bei unserem Besuch merken wir deutlich, dass dieser bei der Ausstattung aber vor allem auch strukturell von Noluthando unterstützt wird. Freies Spiel mit Duplo oder verschiedene Spielstationen mit anregenden Materialien an den Tischen sind in staatlichen Kindergärten oder privaten Kinderbetreuungen im Township keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil, verschultes Lernen oder gar keine sinnliche oder motorische Anregung ist oftmals die traurige Realität. Unsere Große hat das Glück an einer Kleingruppenförderung teilnehmen zu dürfen. Die Erzieherin wurde von Noluthando in der Förderung der Kinder geschult. Wir erleben eine wunderbare altersgerechte Förderstunde, die sogar deutschen Maßstäben gerecht wird.
Der Besuch des Kindergartens hat uns sehr gut gefallen und wir wollen mehr über die Arbeit der Beiden bei Noluthando wissen. Gabriele und Angelika laden uns ein, eine Mutter-Kind-Gruppe zu besuchen, die ebenfalls Teil ihres Projektes und die einzige im gesamten Township ist. Sie erzählen uns, dass es nicht leicht ist Mütter zu finden, die über einen längeren Zeitraum (kostenlos) an diesem Projekt teilnehmen wollen. Dies verwundert uns ungemein, denn wir dürfen einen sehr motivierten Kursleiter erleben, der die Gruppe durch einen vielfältig gestalteten Vormittag führt. Das Ziel dieser Gruppe ist nämlich nicht nur sinnliche und motorische Anregungen für die Kinder bereit zu halten, sie hat vielmehr auch die Funktion die Mütter zu beraten und ein funktionierendes Mütter-Netzwerk zu bilden.
Im Anschluss wollen wir Gabrieles Patenkind Tania (3 Jahre) zu Hause besuchen. Wir laufen durch enge, übel riechende Gassen bis wir vor ihrem Zuhause, einer Wellblechhütte stehen. Wir werden sehr herzlich von Vico, ihrer Mutter, empfangen und quetschen uns alle sechs zusätzlich in die kleine Hütte. Derzeit lebt Vico dort mit ihren drei Kindern, ihrem Mann und 3 weiteren Familienangehörigen auf circa 10-12 m². Die Hütte ist aufgeräumt und sauber und mit Liebe eingerichtet.
Sie haben das „Glück“ eine Hütte mit Stromanschluss (jedoch keine Toilette oder Wasseranschluss) zu haben, so dass sie über einen Kühlschrank, einen Herd und einen Fernseher verfügen können. „Wohlhabend“ sind sie deswegen natürlich noch lange nicht – drei Mal die Woche geht Vico putzen und erhält dafür insgesamt gerade mal 650 Rand, das sind circa 38 Euro. Ihr Mann verdient noch weniger. Davon ernähren sie die gesamte Familie und stoßen dabei natürlich an ihre Grenzen. Mehrfach betont sie, wie dankbar sie sei, Gabriele und Angelika getroffen zu haben. Wir sind sehr berührt von diesem Erlebnis und überlegen, in welcher Form wir uns für die Kinder in Imizamo Yethu einsetzen können.
Wenn ihr mögt, schaut mal auf die Homepage von Noluthando, sie freuen sich immer sehr über neue Paten oder Spenden und man kann dort auch die aktuellen Projektfortschritte in einem Blog verfolgen.
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